Die strahlenden SchülerInnen vor der Ausgangssperre.

Indien - Die durch den Staat angeordnete Ausgangssperre zur Eindämmung des Coronavirus hat im grossen Waldgebiet von Chhattisgarh gravierende Auswirkungen.

Seit 1976 nimmt die Gemeinde Hemalkasa Kinder der Volksgruppe der Madia Gonds bei sich auf. Die ethnische Minderheit der Gondsgruppen wird bis heute als Bürger zweiter Klasse betrachtet und leidet immer noch unter zahlreichen Diskriminierungen. Von 1996 bis 2015 hat Nouvelle Planète die Entwicklung der Gemeinschaft Hemalkasa gefördert.

Von einem Tag auf den andern

650 Schülerinnen und Schüler aus mehr als hundert Dörfern werden in der dortigen zweisprachigen Schule unterrichtet – eine Brücke zwischen zwei Kulturen. Der Mehrheit der Kinder leben dort in einem Internat, denn eine tägliche Heimreise ist nicht möglich. Sie werden von dreissig Lehrkräften und zwanzig SchulmitarbeiterInnen mit Respekt und Einfühlungsvermögen unterrichtet und betreut.

Am 15. März dieses Jahres hat der Staat eine strikte Ausgangssperre um die Corona-Epidemie einzudämmen verhängt. Die Schule schloss von einem Tag auf den andern und die Kinder kehrten in ihre Dörfer zurück. Was für zwei Wochen vorgesehen war, hat sich in mehr als zwei Monate verwandelt, obwohl in dieser Region keine Ansteckung mit dem Virus festgestellt wurde. So haben die Kinder die Schulbank gegen die Feldarbeit eingetauscht.

Die Regierung hat zudem die Fortsetzung des Schuljahres angeordnet und das aufgrund der Möglichkeit des digitalen Unterrichts.

Die SchülerInnen von Hemalkasa leben jedoch in abgelegenen Weilern ohne Elektrizität, Mobilfunkverbindung und Computer. Die hochgelobte Lösung war komplett vom Kontext losgelöst.

Nachholbedarf

Oft sind die SchülerInnen in Hemalkasa die ersten ihrer Familien, die eine Schulbildung erhalten. Die Dorfbevölkerung selbst hat keine Ressourcen, um die Kinder in der Fortsetzung ihrer Bildung zu unterstützen. Die mühsam erarbeiteten Fähigkeiten gehen während Unterrichtspausen rasch verloren. Samiksha Godse, die Direktorin der Schule, erklärt: „Je länger die Unterbrechung des Unterrichtes dauert, desto gravierender ist der Verlust.“ Auf die Ausgangssperre folgen einige Wochen Schulferien, was im Ganzen einen dreimonatigen Schulunterbruch zur Folge hat. Die Lehrkräfte nutzen diese Zeit, um ihren Unterricht den schwierigen Bedingungen anzupassen um bei der Wiedereröffnung versuchen die verlorenen Stunden aufzuholen. Was für eine Herausforderung!

Diese Situation macht uns bewusst, dass Krisen, wie die der Corona-Epidemie, zuallererst die bereits Verwundbaren treffen und zudem die soziale Ungleichheit noch weiter verstärken. Benachteiligte haben nicht die gleichen Möglichkeiten wie die Angehörigen der Mittelklasse in Mumbai oder anderswo, um auf die Kollateralschäden zu reagieren. Wir dürfen sie nicht vergessen!

Xavier Mühlethaler

Übersetzt von Susanne Privitera